Vom Betrieblichen Eingliederungsmanagement profitieren - das bringt es den Betroffenen!
Ein Leitfaden mit viel Information
Sie sind schwer krank und kommen nicht rasch wieder auf die Beine. Oder es treten häufiger kleinere Beschwerden auf, die immer wieder Krankheitstage verursachen. Das wirkt sich mitunter am Arbeitsplatz aus: Sie fühlen sich schlapp, sind den Aufgaben weniger gewachsen und kommen unter Druck. Oder eine bestimmte Tätigkeit kann gar nicht mehr ausgeübt werden, weil ein Unfall oder eine Erkrankung die Gesundheit verändern.
Manchmal reagieren Vorgesetzte und sogar Kolleginnen und Kollegen mit Unverständnis. Jemanden zum Reden zu bringen und Probleme zu lösen tut dann gut: Niemand darf wegen einer Krankheit diskriminiert werden. Am Arbeitsplatz sind unter Umständen nach einer Erkrankung Veränderungen nötig, manchmal nur vorübergehend, damit man gesund werden und wieder arbeiten kann.
Der Gesetzgeber hat für diese Wechselfälle des Lebens im Jahr 2004 (§ 84 Abs. 2, Sozialgesetzbuch IX) das so genannte Betriebliche Eingliederungsmanagement geschaffen: Es verpflichtetet den/die Arbeitgeber/in, Beschäftigte mit gesundheitlichen Schwierigkeiten bei der Überwindung dieser Situation zu unterstützen. In Frage kommt zum Beispiel das Schaffen eines gesundheitsgerechten Arbeitsplatzes.
Beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement – kurz BEM genannt – steht im Vordergrund, den arbeitsbedingten Gründen für eine Erkrankung auf die Spur zu kommen – und sie dann zu beheben. Darauf hat jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter Anspruch. Dieser Leitfaden informiert über die BEM-Regelungen und den Verfahrensablauf.
Adressen im Betrieb oder der Dienststelle, wo man weitere Informationen über das BEM erhalten kann, sind der Betriebsrat, die Schwerbehindertenvertretung, das BEM- oder Integrationsteam, der/die Betriebsarzt/-ärztin oder die Personalabteilung.
Im Unternehmen XY/in der Dienststelle XY wenden Sie sich am Besten an:
Die Teilnahme am BEM ist freiwillig, sie kann abgelehnt oder angenommen werden, normalerweise geschieht das schriftlich. Eine Ablehnung des BEM darf nicht zu Nachteilen für den/die Betroffenen führen!
Allerdings gilt: Ohne BEM können keine Hilfen und Erleichterungen am Arbeitsplatz ermittelt und umgesetzt werden, die auf den speziellen Fall zugeschnitten sind.
In den meisten Betrieben und Unternehmen regelt eine Betriebsvereinbarung den BEM-Ablauf; sie wird zwischen Arbeitgeber/in und Betriebsrat ausgehandelt und bietet den Beteiligten Verbindlichkeit und Orientierung im Verfahren.
Verantwortlich für das BEM ist der/die Arbeitgeber/in, er/sie ist gesetzlich dazu verpflichtet.
Der Betriebsrat und - bei schwerbehinderten Beschäftigten - die Schwerbehindertenvertretung arbeiten mit dem/der Arbeitgeber/in zusammen.
Beide - Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung - sind laut Gesetz zur Beteiligung am BEM und der Überwachung eines einwandfreien Verlaufs aufgerufen. Sie achten darauf, dass das BEM allen betroffenen Mitarbeitern/innen angeboten wird (länger als sechs Wochen arbeitsunfähig in den letzten zwölf Monaten) und dass es korrekt abläuft.
In größeren Betrieben und Dienststellen wird in der Regel ein festes Team aufgestellt: das BEM-Team oder Integrationsteam. Darin wirken mit:
Grundsätzlich gilt: Wiedereingliederung im alten Arbeitsumfeld hat Vorrang, wenn sie gewünscht wird. Erlaubt ist was gefällt, wenn es realisierbar ist und am Besten der Genesung, dem Erhalt der Gesundheit und der Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses dient.
Manchmal sind nicht vorgezeichnete Wege, sondern Phantasie und Ideen der Beteiligten gefragt. Das BEM-Team schließt den Fall ab, wenn die Wiedereingliederung gelungen ist. Es schaut von Zeit zu Zeit nach, ob sich die Verbesserungen in der Praxis bewährt haben.
Die Beschäftigten bestimmen maßgeblich, wo es langgeht. Vom BEM-Team wird ihnen oft ein Begleiter zur Seite gestellt, eine erste Ansprechperson: oft auch Fallmanager(in) genannt. Zwischen beiden sollte die Chemie stimmen, denn Fallmanager(innen) nehmen eine wichtige Position ein. Sie koordinieren in Abstimmung mit dem oder der Erkrankten alle BEM-Maßnahmen, sammeln notwendige Informationen und Daten, begleiten und beraten die Betroffenen und stimmen das Vorgehen ab.
Zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement - BEM – gehören in der Regel acht Schritte:
Der/die Arbeitgeber/in sorgt dafür, dass das BEM-Team darüber informiert wird, wer in den vergangenen 12 Monaten länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Das BEM-Team nimmt mit den Betroffenen Kontakt auf. In der Regel geschieht das per Brief – seltener telefonisch oder im persönlichen Gespräch. Beschäftigte, die arbeitsunfähig sind, erreicht das Angebot üblicherweise per Post.
Neben schriftlichen Informationen wird Beschäftigten angeboten, sich über das BEM beraten zu lassen. Denn zugegeben, manchen Betroffenen ist dabei nicht wohl in ihrer Haut: Es geht schließlich darum, am Arbeitsplatz über Persönliches zu reden. Deshalb steht es den Betroffenen in vielen Betrieben frei, eine Person ihres Vertrauens aus dem BEM-Team zu wählen, mit der sie den Ablauf, die Chancen und die Risiken besprechen.
Das Erstgespräch dient der Erörterung offener Fragen: am Besten kommen alle Bedenken und Unsicherheiten auf den Tisch. Schließlich geht es für Beschäftigte um wertvolle Informationen, mit denen sie über eine BEM-Teilnahme entscheiden. Niemand muss sich unmittelbar festlegen, eine Bedenkzeit ist möglich.
Im ersten Informationsgespräch werden Betroffene auch darüber aufgeklärt, wie mit ihren Daten verfahren wird: Datenschutz, Verschwiegenheit der Beteiligten und Vertrauen sind die Basis für ein gutes BEM nach Recht und Gesetz. Nur das BEM-Team hat Zugriff auf persönliche Informationen.
Drei Jahre nach BEM-Abschluss sind alle Daten zu vernichten oder den Beschäftigten auszuhändigen. In der Personalakte vermerkt der/die Arbeitgeber/in lediglich, wann ein BEM angeboten und ob es durchgeführt wurde. Die BEM-Akte wird strikt getrennt von der Personalakte geführt!
Die angesprochenen Beschäftigten teilen die Entscheidung über ihre BEM-Teilnahme der Ansprechperson mit. Lehnen sie ab, unternimmt das BEM-Team nichts weiter. Die Ablehnung wird in der Personalakte vermerkt. Damit dokumentiert der/die Arbeitgeber/in, dass er/sie seiner/ihre gesetzlichen Pflicht nachgekommen ist. Verschlechtert sich die Gesundheit von Betroffenen, wird das BEM-Team später erneut auf sie zukommen oder sie gehen selbst auf das BEM-Team zu und eröffnen damit das Verfahren.
Fallmanager/innen spielen eine Schlüsselrolle im BEM, denn sie sind die unmittelbaren Begleiter/innen der Beschäftigten durch das gesamte Verfahren: Das kann sich über Wochen hinziehen, im Einzelfall Monate oder länger dauern. Deshalb ist es vorteilhaft, wenn Beschäftigte und Fallmanager/innen gut miteinander können. Fallmanager/innen sollten sich im Betrieb auskennen, kompetent und anerkannt sein; sie arbeiten nicht auf eigene Faust, sondern sind eng in das BEM-Team eingebunden.
Das Integrationsteam oder BEM-Team kümmert sich um eine solide Informationsbasis – als Planungsgrundlage für Wiedereingliederungsmaßnahmen. Das wichtigste Instrument ist die Situationsanalyse; sie wird von dem/der Fallmanager/in koordiniert und von Fachleuten im Betrieb durchgeführt. Dazu gehört:
Wichtig: Betroffene Beschäftigte bestimmen selbst darüber, welche persönlichen Informationen sie in der Situationsanalyse preisgeben und wie umfassend sie informieren. Achtung: Es gehört nicht zur Situationsanalyse oder zum BEM-Verfahren, über ärztliche Diagnosen und die Erkrankung Auskunft zu geben. Nur gegenüber der Betriebsmedizin kommen derartige Angaben auf freiwilliger Basis in Betracht, denn sie unterliegt der besonders strengen ärztlichen Schweigepflicht.
Nach der Situationsanalyse plant das BEM-Team oder Integrationsteam die erforderlichen Umgestaltungsmaßnahmen. Nichts darf an den Betroffenen vorbei oder gegen deren Willen passieren; die Betroffenen sollen an der Planung teilhaben und sie beeinflussen können. Haben Beschäftigte Bedenken, sollten sie sich zunächst an ihre/n Fallmanager/in wenden. Grundsätzlich gilt: Alle Beteiligten sollten hinter den Problemlösungen stehen und sie unterstützen, d.h. Maßnahmen sollten einvernehmlich verabschiedet werden.
Auch beim Umsetzen der Planung kommt es maßgeblich auf die Beteiligung der Beschäftigten an. Ihre Erfahrung am Arbeitsplatz und ihr Expertenwissen in eigener Sache sind gefragt. Denn in der Regel wissen sie gut darüber Bescheid, was der Arbeitsfähigkeit und der Aufgabenbewältigung dient.
Manchmal sind Maßnahmen erforderlich, die gewöhnungsbedürftig und neu sind, die zunächst verunsichern. Dann gilt es, zu beraten und zu überzeugen. Alle Beteiligten sollten sich am Ziel orientieren, die Arbeitsfähigkeit zu sichern, niemanden zu überfordern, aber auch keine Chancen ungenutzt zu lassen.
Der Arbeitsplatz wurde gesundheitsgerecht umgestaltet oder der/die Beschäftigte hat einen anderen gesundheitsgerechten Arbeitsplatz erhalten. Alle Beteiligten stimmen überein, dass zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeitszeiten alles Mögliche unternommen wurde. In den meisten Fällen ist die Genesung vorangekommen, die Arbeitsfähigkeit ist wiederhergestellt. Dann kann das BEM-Verfahren positiv abgeschlossen werden. Gibt es noch weitere Verbesserungsvorschläge von Seiten der Beschäftigten oder Mitgliedern des BEM-Teams, dann sind sie zunächst zu prüfen.
Der/die Fallmanager(in) ist die erste Ansprechperson für Beschäftigte im BEM, mit dem sie Probleme besprechen, ihren Unmut äußern und auch mal Frust ablassen können.
Daneben haben Betroffene die Möglichkeit, sich bei Unstimmigkeiten an ihre Interessenvertretung zu wenden: den Betriebsrat oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung. Können die Interessenvertreter nicht zur Klärung und Vermittlung der Situation beitragen, bleibt als Ausweg der Abbruch des Verfahrens – auch ohne Angabe von Gründen.
Günstiger ist es, das BEM bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu verfolgen. Sonst bleibt bei allen Beteiligten, auch bei den betroffenen Beschäftigten, ein schaler Nachgeschmack zurück. Schließlich begünstigt das BEM die Gesundheit und die Beschäftigungssicherheit, wenn ein positiver Abschluss gelingt.
Gerät das BEM ins Stocken, kann ein/e neue/r Fallmanager(in) für Schwung und Ideen sorgen. Auch andere Personen – zum Beispiel externer Sachverstand – kann hinzugezogen werden: Die Krankenkasse, die Berufsgenossenschaft, das Integrationsamt, der Integrationsfachdienst, die Rentenversicherungsträger oder die Arbeitsagentur. Diese Institutionen beschäftigen unter anderem Eingliederungs- und Hilfsmittelfachkräfte, die sich mit entlastenden Arbeitsplatzlösungen auskennen und diese auch bezuschussen.
Unter Umständen ist einfach eine Verschnaufpause das Richtige: das BEM wird für einen bestimmten Zeitraum unterbrochen, um neue Kräfte und Ideen zu sammeln.
Für einen guten Verlauf und Erfolg des BEM können die Beschäftigten selbst viel beitragen, wenn sie eine aktive Rolle spielen und diese Erfolgsfaktoren beachten:
Auf gute Gesundheit!